Die Schweiz im Trugschluss: Energiewende oder Biodiversitätsschutz?
26.2.2023: Unter dem Druck der nötigen Abkehr von den fossilen Energien, vorab aus Russland, gibt’s heute in allen Parteien eine Priorität: Die Schweiz braucht mehr eigene Kilowattstunden aus erneuerbarer Energie! Entscheidend wird sein, wie wir das bewerkstelligen. Zurzeit drohen politische Willkür und massive Einschnitte in den Biodiversitätsschutz.
Dass die Klimakrise endlich angegangen wird, ist nur zu begrüssen. Doch eine zweite Existenzbedrohung kommt hinzu: die Biodiversitätskrise. Wir leben mitten in einem globalen Artensterben, weshalb die Biodiversitäts-Konferenz im Dezember eindringlich zum Schutz von 30% aller Meeres- und Landesfläche aufrief. Die Schweiz hat diese Verpflichtung mitunterzeichnet, als Schlusslicht Europas aber nur 2.2% der Landesfläche unter strengen Biotopschutz gestellt. Jetzt will die Elektrizitätsindustrie die Gunst der Stunde nutzen und diesen Naturjuwelen an den Kragen. Der Ständerat gab letzten Herbst vor, dass Solar-, Wasser- oder Windkraftwerke möglichst schnell, einfach, allerorts gebaut werden können. Zwar war seither die Umwelt- und Energiekommission des Nationalrates (UREK-N) nach hartem Ringen eine Rille vorsichtiger und will die nationalen Biotope vor Energieanlagen freihalten. Der Alpenkonvention, dem 30 Jahre alten Nachhaltigkeitsvertrag aller acht Alpenländer, widerspricht das Gesamtpaket, dieser Mantelerlass, weiterhin. Und nach wie vor sollen ganze Gruppen von Wasser-, Wind- und grossflächigen Solarkraftwerken pauschal nationale Bedeutung oder gar Vorrangigkeit erhalten.
Klimaschutz mit der Baggerschaufel
Auch das nationale Aueninventar soll in seiner Schutzwirkung eingeschränkt und künftig weitere, national bedeutende Gletschervorfelder und alpine Schwemmebenen nicht mehr vor Eingriffen abgesichert sein. Der Bau von Hochspannungsleitungen, Trafostationen, Wasser-, Wind- und Photovoltaikanlagen soll genau dort ermöglicht werden, wo flaumig zarte Wollgrasbüschel im Bergwind zittern und den Wandernden auf bezaubernde Art den Wert der Biodiversität vermitteln.
2 aus der Ostschweiz halten dagegen
Zwei Ostschweizer Nationalrät:innen in der UREK-N haben die Zeichen der Zeit erkannt: Unser Kurt Egger aus dem Thurgau und Martina Munz (SP) aus Schaffhausen. Dank ihnen kommen wichtige Minderheitsanträge Mitte März ins Nationalratsplenum. Der Ausgang dieses Showdowns ist mehr als ungewiss.
Was wir GRÜNEN also brauchen, ist eine Auseinandersetzung zum Wert der Biodiversität, gerade in energiepolitisch heissen Zeiten. Wir aus Graubünden haben das zusammen mit den Walliser GRÜNEN in einer Resolution am Jahresende eingefordert. Ende März soll nun die Diskussion an der nationalen Delegiertenversammlung stattfinden.
Kaspar Schuler, Vorstand GRÜNE Graubünden