5.3.2022: Kaspar Schuler am Wahlauftakt in Maienfeld
Erst die Zu- und Abwanderung haben unsere vielfältige Kultur möglich gemacht. In Anerkennung unserer migrantischen Herkunft und ihrer zentralen Bedeutung für Graubünden gilt es jedem Menschen mit Wertschätzung zu begegnen und ihm die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Dieses Gebot der Teilhabe gilt im Speziellen für Menschen auf der Flucht, auch heute, wo wir alle entsetzt in die Ukraine schauen. Das sagt Kaspar Schuler, Grossratskandidat GRÜNE, anlässlich des Wahlauftakts in Maienfeld und Fünf Dörfer.
Guten Morgen, Guten Samstag, Guten Tag
Wir wohnen in der behaglichsten aller alpinen Gegenden, in der Herrschaft, wo uns die Trauben in den Mund wachsen, sich der Fuchs zwar ohne Hase heute ein wenig allein fühlt, doch findet er im Mühlbach neuerdings ab und zu einen Biber, frisch eingewandert, dem er auch ganz artig gute Nacht sagen kann.
Und damit sind wir gleich beim aktuell wichtigsten aller alpinen Themen: bei der Migration! Es gibt ja Leute, die betrachten Fremde als etwas sehr Suspektes. Es gibt ganze Parteien, die leben von diesem Thema, nicht nur hier bei uns die SVP.
Dabei geht etwas ganz und gar vergessen:
Der ganze Alpenraum – auch Graubünden ist von der Migration geprägt – seit den Urzeiten seiner Besiedlung.
Nach dem Rückzug der Gletscher mussten Herr und Frau Höhlenbärenjäger zuerst mal einwandern, bevor sie hier auf wundervoll blühenden Gletschervorfeldern am Ufer des wild mäandrierenden Alpenrheines ein Feuer machen und sich an den Berghängen an den Edelweiss erfreuen konnten. Edelweiss sind übrigens auch Einwanderer: Flüchtlinge aus Sibirien sozusagen, die nicht mehr nach Hause konnten, als es wieder wärmer wurde in den Tälern, und sie sich in den alpinen Höhenlagen ein wenig zurückgelassen fühlten. Und gerade sie freuen uns heute – nicht wahr?
Ob Reisende oder Zuwandernde, Hausangestellte, Heuer, Zuckerbäcker oder nach Russland und Übersee Ausgewanderte, fremde Menschen konnten froh sein, erhielten sie hier und hiesige waren froh, erhielten sie anderswo ihre Chance.
Kurz: Erst die Zu- und Abwanderung haben überhaupt unsere vielfältige Kultur möglich gemacht, in der Musik, Sprache und Architektur, in Landwirtschaft, Handwerk, mit immer wieder neuen Technologien und immer wieder neuen sozialen Szenen. Denken wir nur an die Walser, die eines Tages auch hier bei uns, ein luftigeres Stockwerk höher oben, einzogen.
Die Migration prägt uns auch heute in ihrer temporären, kurzfristigsten Form, dem Tourismus. Was sind Touristinnen und Touristen anderes als Kurzzeitwanderer, die teilweise sogar ihre Zelte – Ferien- und Zweitwohnungen heissen die heute – recht dreist und für länger aufschlagen. All dieses touristischen Ein- und Rückwanderer wiederum benötigen unzählige Arbeitsmigrant:innen. Es sind Arbeitswütige, die tagelang in unseren Bergrestaurants an die Arbeit gehen, um ihr täglich Brot hart zu verdienen. Und darum spricht Graubünden heute längst viel mehr Sprachen als die offiziellen drei, Romanisch, Italienisch und Deutsch. Graubünden spricht Portugiesisch, Kroatisch, Polnisch und was weiss ich alles. Beim Wimmeln hier bei uns höre ich sogar Züri- oder Baseldütsch.
In Anerkennung unserer migrantischen Herkunft und ihrer zentralen Bedeutung für Graubünden gilt es nicht Ablehnung und Ausgrenzung zu betreiben, sondern jedem Menschen mit Wertschätzung zu begegnen und ihm die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Das verlangt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Dieses Gebot der Teilhabe gilt im Speziellen für Menschen auf der Flucht, die uns willkommen sind – so hoffentlich auch heute, in diesen Tagen, wo wir alle entsetzt in die Ukraine schauen.
1956 hat die Schweiz 14’000 Flüchtlinge aus Ungarn aufgenommen – auch sie flohen damals vor Russland, aus der Sowjetunion. Im Bahnhof Buchs hängt eine Gedenktafel, worauf die geflüchteten Ungarinnen und Ungarn für (Zitat) „die begeisterte Aufnahme“ danken.
Ich hoffe, fest, dass uns das nicht nur mit den TouristInnen und an unseren Weinfesten, sondern auch gerade jetzt erneut gelingt.
Und ich wünsche mir, dass wir alle diese vielfältigen Formen der Fremdenfreundlichkeit nicht nur selektiv, wählerisch wirken lassen.
Denn darum geht es in der Politik – immer und eigentlich ausschliesslich: Um den Gemeinsinn und die darauf aufbauende, aufrichtige, faire Auseinandersetzung in der Gemeinschaft.
Es geht um Lösungssuche. Damit wir als Gemeinschaft lebensfähig bleiben, und alle mitnehmen. Alle – jede und jeden.
Damit alle geachtet, respektiert und – ja – sogar gemocht werden.
Dafür stehen wir 5 Kandidat:innen aus der Herrschaft ein – mit Garantie und fest versprochen!
Wir nehmen kein falsches Blatt vor den Mund.
Bei uns wissen Sie, woran Sie sind.