Von Kaspar Schuler
Vorstand GRÜNE Graubünden, Gründungsmitglied und Beirat Alpeninitiative, Geschäftsleiter Internationale Alpenschutzkommission CIPRA

Wer ein paar Strassen sät, wird eine Verkehrslawine ernten. Diese Erkenntnis hatten die unverdrossen beherzten Initiant:innen der Alpeninitiative bereits vor über 30 Jahren. Es waren Bündnerinnen und Bündner, die zusammen mit engagierten Bergler:innen aus Uri und dem Wallis Ende Achtzigerjahre verlangten, dass es keinen Autobahnausbau auf den Transitachsen im Berggebiet gibt. Es war die erste Schweizer Volksinitiative überhaupt, die aus dem Berggebiet kam. Bundesrat Ogi nahm sie nicht ernst, doch die Bevölkerung sehr. Dank dem Volksentscheid von 1994 mit 68.5% JA und nur 2 ablehnenden Standesstimmen ist in unserer Verfassung verankert, dass die Transitstrassen-Kapazität im Alpengebiet nicht erhöht werden darf.

Das muss auch so bleiben, denn jeder zusätzliche Strassenausbau zieht nach einer kurzen Entlastungsphase wieder mehr Autoverkehr und damit den nächsten Stau woanders nach sich. Das gilt auch alpenweit, man denke nur an die hart geführten Auseinandersetzungen zwischen der österreichischen Regierung und ein paar unverbesserlich bornierten Autobahnstrategen Italiens und Deutschlands an der brutal verkehrsbelasteten Brennerautobahn im Tirol. Es war dort lange unklar, ob bei der anstehenden Sanierung der Lueg-Brücke nicht doch noch zusätzliche möglich wären, angebaut an die gigantischen Betonstelzen. Der Artikel 11 des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention steht dem zum Glück entgegen.

Auch eine A13-Verbreiterung wäre bei uns in Graubünden fatal, wo auf den letzten guten Landwirtschaftsflächen im Tal schlicht kein Platz ist für noch mehr Asphaltspuren, neben den sich ohnehin ausdehnenden Siedlungs-, Sport-, Industrie-, Infrastrukturflächen. Oder verlangt jemand im Churer Rheintal oder dem Domleschg, im Schams, Rheinwald, Misox die Anzahl Fahrspuren der A13 zu erhöhen? Der Aufstand der Anwohner:innen, beherzter Bauernvertreter:innen, besonnener Touristiker:innen käme umgehend.

Wieso? Weil wir hier in den engen Alpentälern wissen, wie endlich der gute, flache, einigermassen tiefgründige Boden in Tat und Wahrheit ist. Das gilt auch fürs Mittelland, auch wenn wir dort ein wenig mehr Raum im raumplanerischen Hosensack zu haben glauben, uns also ein wenig länger da hinein lügen und weiter ausbauen könn(t)en.

Doch auch für den Städteverband sind inzwischen die Folgen des Autobahnausbaus klar: «Ein Ausbau erzeugt Mehrverkehr Richtung Städte, der auf dem untergeordneten Netz nicht aufgenommen werden kann und den ÖV konkurrenziert» (Mobilität als Gestalterin von Stadtregionen, 2019).

Nicht nur Alpentäler, auch Städte und Dörfer werden also zum Flaschenhals, weil der Raum auch dort knapp ist. So verwundert es nicht, dass betroffene Städte sich gegen den Ausbau stellen, so wie das Parlament der Stadt St. Gallen.

Sie sehen: Wir im Berggebiet sind in Sachen haushälterischem Bodenverbrauch und schmerzhafter Einsichten zur Folgen der Verkehrsbelastung schneller klug geworden, dank nationalem Zusammenhalt. Wer den verkehrspolitisch erfolgreichen Alpenschutz ernst nimmt, darf – oder muss sogar – diesen mit einem Nein aus gutem Grund auch national vertreten.