Kinder- und Jugendpolitik
Graubünden hat Nachholbedarf bei der Kinder- und Jugendarbeit.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit ist eine kantonale Aufgabe. Für die Umsetzung in den Regionen und Gemeinden braucht es ein kantonales Gesetz, eine kantonale Strategie und Mehrjahresbudgets.
- Die Kinder- und Jugendförderung ist in die Verwaltungsarbeit auf allen Ebenen zu integrieren.
- Graubünden braucht eine Bildungsoffensive: Regionen und Gemeinden stärken das Bewusstsein für die Kinder- und Jugendarbeit, fördern Kinder auf allen Schulstufen, unterstützen Familien und ermöglichen die Partizipation der Kinder und Jugend am öffentlichen Leben.
- Der Kanton stellt Ressourcen zur Verfügung für Projekte und Initiativen, die von Gemeinden, Gruppen und Privaten initiert werden.
- Die Bündner Regierung greift das Stimm- und Wahlrechtsalter 16 auf, wie von der Jugendsession gefordert.
Sich ändernde Verhältnisse brauchen neue Massnahmen
Während in umliegenden Kantonen ein hohes Bewusstsein für die Bedeutung der Kinder- und Jugendpolitik besteht, ist Graubünden diesbezüglich Brachland. Die kantonale Politik betrachtete bisher die Kinder- und Jugendarbeit mit ihren drei Pfeilern Schutz, Förderung und Partizipation als Themen, die vorab in den Agglomerationen von Bedeutung sind, aber nicht in den dünner besiedelten Talschaften. Doch die fortlaufende Veränderung der Gesellschaft durch Technik, den kulturellen Austausch und Zuzug neuer Leute aus dem In- und Ausland bringt uns neue Integrations- und Förderungsaufgaben, ab dem frühen Kindesalter.
Jugendpartizipation als Leitgedanke
Für eine erfolgreiche Jugendpolitik für den einzelnen Menschen wie auch für den Kanton braucht es eine echte Partizipation. Die ungebremste Abwanderung junger Leute zeigt, dass die Bindung zum Wohnort und seiner Region von grosser Bedeutung ist. Wer dort als Jugendliche ernst genommen und in die Gestaltung des öffentlichen Geschehens – wie beispielsweise für die Dorfplatz- und Schulhausgestaltung – einbezogen wird und mitbestimmen kann, fühlt sich wohl. Solche jungen Leute überlegen sich, auch als Erwachsene zu bleiben. Wer hingegen wenig Akzeptanz und keine offenen Türen erlebt, wer nicht einbezogen und gefördert wird, bleibt nach seiner Ausbildung umso eher in den Städten und Agglomerationen. Die Bündner Bevölkerungsprognosen bis 2050 gehen von einer Abnahme um 14 Prozent bei Jugendlichen im Alter bis zu 20 Jahren aus.
Jugend braucht Einfluss, nicht nur Gehör
Die jungen Leute aus unserem Kanton, die sich in der Jugendsession.gr zusammengeschlossen haben, brillieren zwar mit top aktuellen Anliegen, doch sie können sie nur mittels Petitionen einbringen. Der Politik fehlt es an der Bereitschaft, die Jungen echt an der politischen Entscheidfindung zu beteiligen. Das Stimm- und Wahlrechtsalter 16 ist darum das Mittel der Wahl, um die Teilnahme der Jugend am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Übrigens: Österreich kennt es seit 2007. Auch unser Nachbarkanton Glarus hat das Stimm- und (aktive) Wahlrechtsalter 16 im gleichen Jahr eingeführt, über seine Landsgemeinde, als nationale Premiere. Die Antwort der Bündner Regierung an die Jugendsession im Jahr 2019 ist ohne Saft und Kraft und verharrt in alten Positionen: Die Regierung lehnte es vor dem Hintergrund von mehreren erfolglosen Bemühungen in Graubünden, auf Bundesebene und in anderen Kantonen ab, die Thematik erneut aufzugreifen.
Bundesförderung seit 2013 vorhanden – Graubünden zieht 2020 nach
Das Eidg. Kinder- und Jugendförderungsgesetz (KJFG) ist am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. Mit dem Gesetz will der Bund dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche in ihrem körperlichen und geistigen Wohlbefinden gefördert werden, sich sozial, kulturell und politisch besser integrieren können und sich zu Personen entwickeln, die Verantwortung für sich selber und für die Gemeinschaft übernehmen. Es besteht eine hohe Nachfrage für die Anschubfinanzierung eines kantonalen Programms für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik. Bis 2017 haben bereits die Hälfte der Kantone Finanzhilfen für ein entsprechendes Programm erhalten und ihre Kinder- und Jugendpolitik weiterentwickelt. Die Regierung des Kantons Graubünden ersuchte 2019 beim Bundesamt für Sozialversicherungen für die finanzielle Förderung des Programms zur Kinder- und Jugendförderung. In einem ersten Schritt werden eine Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse durchgeführt, sowie konzeptionelle Grundlagen erarbeitet. Danach wird die Regierung weitere Massnahmen festlegen.
Quellen
Antwort der Bündner Regierung auf die Petitionen der Jugendsession 2019
10 Jahre Stimm- und Wahlrechtsalter 16 in Glarus, Artikel aus der NZZ, 2017
Eidg. Stimm- und Wahlrecht ab 16, Parlamentarische Initiative von Lisa Mazzone, 2017
Programm zur Kinder- und Jugendförderung im Kanton GR, Sept. 2019: