Anna Gredig: Nachhaltigkeit – auch soziale!
1.3.2022: Anna Gredig, 43, war Dozentin an Pädagogischen Hochschulen. 2016 wechselte die Vielgereiste in die Landwirtschaft, zog ans Ende des Safientals GR auf 1700 M.ü.M. und kandidiert jetzt als GRÜNE für den Grossen Rat: «Wenn wir eine Zukunft wollen, müssen alle, die essen, etwas ändern».
Warum hast du in die Landwirtschaft gewechselt?
Als Lehrerin und beim Reisen läuft man Gefahr, ständig «gute Ideen für Andere» zu haben. Ich wollte selber aktiv zu Nachhaltigkeit beitragen. Jetzt sind wir Pilotbetrieb im Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» und suchen Wege, den ersten klimaneutralen Bündner Bio-Bergkäse zu produzieren.
Kann die Landwirtschaft klimaneutral werden?
Unser Hof wurde kürzlich bezüglich Klimagase bilanziert. Dank der geplanten Massnahmen – eine Kleinbiogasanlage, Solarstrom vom Stalldach und eine Hofsennerei – wurden uns gute Chancen attestiert, klimaneutral zu werden. Diesem Ziel ordnen wir alles unter. Wenn es hier oben und mit Viehwirtschaft gelingt, klimaneutral Essen zu produzieren, sollte das an einigen Orten möglich sein.
Das klingt interessant. Was gefällt dir nicht an der Landwirtschaft?
70% aller Bäuerinnen in der Schweiz haben keine Sozialversicherungen. Das ist kein Zufall, sondern strukturelle Gewalt, ein No-Go in einem Rechtsstaat mit Gleichstellungsartikel. Die Politik ist gefordert. Nachhaltige Landwirtschaft ist nur möglich, wenn soziale Gerechtigkeit garantiert ist.
Du kandidierst als GRÜNE für den Grossen Rat. Was sind deine Anliegen?
Nachhaltigkeit ist mein übergeordnetes Ziel. Um das zu erreichen, müssen wir umdenken, es geht um Bildungsfragen im weitesten Sinn. Produktion und Konsum müssen sich koordiniert verändern. In der Landwirtschaft sind Gleichstellungs- und Bildungsfragen sehr drängend. Randregionen müssen weiter gestärkt werden. Vom Tourismus wünsche ich mir mehr Demut.
Kennt das Safiental Tourismusprobleme?
Individualtourismus in Massen hat einen enormen Einfluss auf Fauna und Flora. Randregionen werden zunehmend als rechtsfreier Raum missbraucht. Dabei erfordert dort das filigrane Miteinander von Wildnis und Kulturland nicht nur von der Landwirtschaft, sondern auch von den Gästen viel Einfühlungsvermögen. Diese Sensibilität gilt es zu fördern. Es braucht Lenkungsmassnahmen und eine geplante Infrastruktur nach dem Prinzip «erst das Kistli, dann die Katze».
Zur Person
Anna ist Mitbewirtschafterin vom Hof «Spichergada-Turra» in Thalkirch GR. Mit Martin hat sie vier Kinder. Die Germanistin und Anglistin, lic.phil.I, hat ein Lehrdiplom für Maturitätsschulen, war Austauschdozentin in Tansania und verbrachte insgesamt fast 8 Jahre im Ausland. Aufmerksam verfolgt sie die laufende Überprüfung der Landwirtschafts-Ausbildungen. Ihr Hofladen ist «vielleicht der politischste der Schweiz.