Einst war Klärschlamm die Lösung, heute ist er ein Problem. Jahrzehntelang wurde er in Graubünden auf Feldern ausgebracht und zur Bodenverbesserung genutzt. Doch mit ihm gelangten auch die berüchtigten PFAS-Chemikalien in die Umwelt – eine Altlast, die uns noch lange beschäftigen wird.

PFAS IN GRAUBÜNDEN

AMA. Ab den 1960-er Jahren investierte die Schweiz massiv in Abwasserreinigungsanlagen. Die Frage, wohin mit dem Klärschlamm, wurde immer drängender. 1971 setzte die Bündner Regierung eine Klärschlammkommission ein, um die Verwertung zu fördern. Bauern erhielten damit günstigen oder sogar kostenlosen Dünger, Kläranlagen eine billige Entsorgung. 20’700 Hektaren landwirtschaftliche Flächen konnten gemäss der Umweltbehörde gut mit Klärschlamm gedüngt werden. Regionen wie das Churer Rheintal, Churwalden, Oberhalbstein, Disentis, Ilanz, Münstertal und Domleschg wurden mit dem «wertvollen» Material versorgt. Aber auch als Abdeckmaterial in Kehricht- und Bauschuttdeponien, als Bodenverbesserungszusatz bei Erdbewegungen, Böschungen und im Gartenbau kam Klärschlamm zum Einsatz. Niemand ahnte damals, dass damit auch langlebige Schadstoffe wie PFAS in die Böden, ins Grund- und Trinkwasser gelangten. Erst 2006 wurde die Nutzung von Klärschlamm in der Schweiz verboten. PFAS sind fast überall Heute sind die Folgen unübersehbar. In Graubünden wurden bisher rund 300 Untersuchungen durchgeführt – und fast überall fanden sich PFAS-Spuren, wie die Regierung auf eine Anfrage der GRÜNEN schreibt. In sämtlichen Bodenproben wurden PFAS nachgewiesen, aber keine so hohen Werte wie in St. Gallen. Doch eine offizielle Grenze für PFAS in Böden existiert nicht. Besonders problematisch: Ob auch tierische Produkte betroffen sind, wurde bisher nicht untersucht. Allerdings schliesst sich Graubünden der nationalen PFAS-Kampagne für tierische Produkten an. Beim Trinkwasser schaut der Kanton schon länger hin. Seit 2021 werden PFAS-Proben genommen. Spuren wurden gefunden, wenn auch unterhalb der erlaubten Grenzwerte. In Grundwasserproben nahe alter Kehrichtdeponien fand man jedoch vereinzelt auffällige Belastungen. Die Regierung räumt ein: Ein Gesamtbild fehlt noch. Weitere Hotspots könnten erst noch entdeckt werden.

Die Jagd nach den PFAS

Graubünden will Klarheit schaffen. Eine historische Analyse soll aufdecken, welche Felder mit Klärschlamm belastet wurden. Neben alten Deponien geraten auch Industrie- und Gewerbebetriebe ins Visier. Zudem läuft eine Umfrage unter Gemeinden, um ehemalige Feuerwehrübungsplätze als mögliche PFAS-Quellen zu identifizieren. Die Strategie ist klar: Quellen aufspüren, stoppen und sanieren. Doch wie genau das geschehen soll, ist noch offen. Ein Sanierungsplan existiert nicht, ebenso wenig eine Kostenschätzung. Erste Sanierungsfälle in anderen Kantonen zeigen jedoch, dass PFAS-Sanierungen bereits dutzende Millionen gekostet haben – viele der Rechnungen wird wohl die öffentliche Hand begleichen müssen.

Wie belastete Böden und kontaminiertes Wasser saniert und PFAS-Material entsorgt werden sollen, ist noch unklar. Bis Ende 2025 will der Bund Klarheit schaffen. Doch eines ist bereits sicher: PFAS werden uns noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang beschäftigen.